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Rückleitungsstrategie für Mediatheken: Was ARD und ZDF von Netflix und Amazon lernen können

Eine Fernbedieung mit dem Netflix-Logo vor einem Fernseher. Bei ihrer Rückleitungsstrategie können sich Mediatheken einiges bei Streamingplattformen abgucken.

Die Mediatheken von ARD und ZDF gehören zu den wichtigsten Plattformen für On-Demand-Inhalte in Deutschland. In diesem Artikel zeigen ich, wie die Sender ihre Mediatheken durch eine konsequente Rückleitungsstrategie auf das nächste Level heben können. Dabei können sie sich erfolgreiche Formate bei Netflix und Amazon abgucken.

Wenn Menschen in Deutschland Onlinevideos schauen, landen vier von zehn von ihnen bei Mediatheken von Fernsehsendern (mindestens einmal pro Woche). Das ist das Ergebnis der repräsentativen ARD/ZDF-Onlinestudie 2022. Damit haben sich die Mediatheken von ARD und ZDF in den vergangenen Jahren zu wichtigen Quellen für On-Demand-Inhalte entwickelt. Mit einem breiten Spektrum an Sendungen, Filmen und Dokumentationen bieten sie den Zuschauer:innen die Möglichkeit, ihre Lieblingsinhalte flexibel und jederzeit abzurufen.

ARD/ZDF-Onlinestudie: Videonutzung Online 2022.

Doch die Konkurrenz ist – gerade in der jungen Zielgruppe – deutlich beliebter. Netflix und Amazon Prime Video können mit ihren umfangreichen Angeboten und innovativen Funktionen immer mehr Marktanteile gewinnen. Das stellt öffentlich-rechtliche und private Sender vor der Herausforderung, ihre Mediatheken kontinuierlich weiterzuentwickeln und auf die Bedürfnisse der Zuschauer:innen einzugehen.

Was ist eine Rückleitungsstrategie?

ARD und ZDF haben mit dem Wachstum von YouTube in Deutschland einen entscheidenden Fehler gemacht: Die Sender begannen, auf verschiedenen Kanälen komplette Sendungen aus dem Portfolio hochzuladen. Das führte einerseits zu teilweise stark steigenden Klickzahlen, gewöhnte die Nutzer:innen aber auch daran, die ganzen Sendungen direkt auf YouTube zu finden.

YouTube-Channels wie WDR Doku sind auf YouTube extrem erfolgreich. Der Nachteil: Nutzer:innen konsumieren die Inhalte seltener auf der eigenen Videoplattform der Sender.

Inzwischen haben die Sender das Problem erkannt und versuchen, Nutzer:innen wieder zurück in die jeweilige Mediathek zu leiten. Das machen die Anbieter:innen mit einer sogenannten Rückleitungsstrategie. Bislang beobachte ich bei den öffentlich-rechtlichen Angeboten vor allem folgende Ideen:

  • Verlinkung auf die Mediathek in der Endcard
  • Grafik-Abbinder mit Verweis auf die Mediathek zum Abschluss des Videos
  • Aufsager von Protagonist:innen am Ende des Videos, der auf weiterführende Inhalte in der Mediathek aufmerksam macht
  • Grafik-Banner in der Mitte des Videos mit Verweis auf die Mediathek
  • Verkürzte Version eines Formats für YouTube, komplette Version in der Mediathek
  • Frühere Veröffentlichung von Folgen in der Mediathek, nach einigen Wochen auf YouTube
Screenshot zeigt das Ende eines YouTube-Videos des NDR. Auf der Endcard ist ein Grafik-Banner mit dem Hinweis "Jetzt Weiterschauen in der ARD-Mediathek" zu sehen.
Mit Endcards wie diesen versuchen öffentlich-rechtliche Sender Nutzer:innen in die eigene Mediathek zu leiten.

Die Ansätze erscheinen nachvollziehbar, geben den Nutzer:innen meiner Ansicht nach aber viel zu wenig Anreize, um für Inhalte in die Mediathek zu wechseln. Wenn Folgen ohnehin irgendwann in voller Länge bei YouTube landen, gibt es wenig Argumente dafür, aufwendig die Mediatheken zu durchsuchen – auch weil Inhalte bei YouTube einfacher zu finden sind und der Empfehlungsalgorithmus deutlich stärker ist.

Von Streamingdiensten lernen

Ich bin überzeugt, dass ARD und ZDF mit ihren Mediatheken langfristig nur erfolgreich sein können, wenn Nutzer:innen die Notwendigkeit haben, für Inhalte in die Mediathek zu wechseln. Wie eine Rückleitungsstrategie für Mediatheken am besten funktioniert, zeigen Amazon Prime Video oder Netflix. Für Streamingdienste sind die Inhalte in voller Länge das wichtigste Verkaufsargument. Natürlich würden sie keine ganzen Folgen einer Serie oder eine Dokumentation in voller Länge bei YouTube teilen. Deshalb müssen die Nutzer:innen ein Abo abschließen und auf die eigene Plattform der Unternehmen wechseln. Für TV-Sender würde das analog bedeuten: Keine ganzen Folgen einer Sendung auf YouTube hochladen.

Dennoch nutzen Netflix und Amazon soziale Medien, vor allem auch YouTube, um auf neue Inhalte hinzuweisen und die Nachfrage für die eigene Plattform zu stärken. Ich stelle Ideen vor, die TV-Sender für ihre Mediatheken auch nutzen könnten.

Ankündigung

Wenn eine neue Serie oder ein neues Doku-Format startet, kündigt Netflix den neuen Inhalt mit einem YouTube-Video an. Dieser Clip wird bereits mehrere Monate im Vorlauf gesetzt, um die Erwartungen des Publikums schon früh zu wecken.

Teaser und Trailer

Bis zum Start des Inhalts auf der Streamingplattform setzen Amazon und Netflix regelmäßig Teaser und Trailer ein. Das ist vergleichbar mit der Ankündigung von Kinostarts. Teaser sind erste Snippets, die mit mehr Vorlauf eingesetzt werden.

Der offizielle Trailer zum neuen Inhalt wird etwa zwei Wochen vor Veröffentlichung bei YouTube gepostet.

Überblick zu Neustarts

Um die Nutzer:innen über neue Inhalte zu informieren, postet Netflix einen Zusammenschnitt mit Neustarts im jeweiligen Monat.

Die ersten Minuten

Zum Start eines neuen Formats lockt Amazon die Nutzer:innen mit den ersten fünf bis zehn Minuten der neuen Show auf die eigene Plattform.

Einzelne Szene

Besonders starke Momente aus einer Show clippt Amazon im Anschluss an die Veröffentlichung, um für das ganze Format auf der eigenen Plattform zu werben.

Best-Of

Highlight-Clips, also Zusammenschnitte von besonderen Momenten, können zusätzlich die Aufmerksamkeit für das neue Format hochhalten.

Musikvideo

Für Unterhaltungsformate, die auf Musik setzen, bietet es sich an, einzelne Musikvideos auf YouTube zu veröffentlichen.

Making-Of und Behind the Scenes

Making-Of-Formate oder Settouren sind eine gelungene Ergänzung für die Social-Media-Kanäle.

Interview-Format

Interview-Formate können Protagonist:innen vorstellen und bieten zusätzliche Fläche für die Promotion des neuen Formats.

Reportage von Screenings oder Premieren

Wenn es Events zum Start des neuen Formats gibt, können diese ebenfalls mit der Kamera begleitet werden.

ARD und ZDF: Best-Practice-Beispiele

Erste Ansätze, wie die Rückleitungsstrategie für Mediatheken in Zukunft aussehen könnte, sind schon jetzt sichtbar. So postet beispielsweise der WDR beim Start einer neuen Staffel Feuer und Flamme einen Clip mit einer einzelnen Szene und nicht die komplette Folge.

Auch der YouTube-Channel der ARD postet nur Ausschnitte, um auf Formate hinzuweisen. Das bringt aber wenig, wenn komplette Folgen eines Mediatheksformats dennoch in voller Länge bei YouTube landen. Auch auf dem ZDF-YouTube-Kanal werden einzelne Clips mit Verweis auf die gesamte Folge in der Mediathek geteilt.

Rückleitungsstrategie für Mediatheken: Mein Fazit

Öffentlich-rechtliche Sender sollten meiner Meinung nach damit aufhören, Formate in Gänze auf Drittplattformen wie YouTube zu teilen. Denn Nutzer:innen wählen in der Regel den einfachsten Weg, um einen Inhalt zu konsumieren. Da die Mediatheken von ARD und ZDF technisch bislang noch nicht mit Plattformen wie YouTube mithalten können, landet die Zielgruppe am Ende wieder auf YouTube.

Die Sender sollten diesen einfachen Zugang beschränken und komplette Inhalte ausschließlich in der Mediathek anbieten. YouTube kann als Schaufenster für neue Inhalte, Highlights und Behind-the-Scenes-Material dienen. Wie das funktioniert, zeigen die großen Streamingplattformen.

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Transparenz: Beim Schreiben dieses Artikels hat mich das KI-Sprachmodell GPT 3.5 unterstützt.