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Gehaltstransparenz im Journalismus: Was wir von Österreich lernen können

Bewerbungsgespräch in einem Büro. In Sachen Gehaltstransparenz ist uns Österreich voraus.

In Österreich müssen Unternehmen in der Stellenausschreibung eine Gehaltsspanne angeben. Bald könnte eine ähnliche Regelung in der gesamten EU gelten. Gehaltstransparenz wie in Österreich ist wichtig für den Nachwuchs – zum Beispiel im Journalismus.

Mehr als 5.000 Nachwuchsjournalist:innen lesen inzwischen meinen Job-Newsletter. Auch deshalb fragen mich regelmäßig junge Kolleg:innen nach Tipps: Wie viel Gehalt kann ich verlangen? Was ist meine Arbeit wert? Und wie verhindere ich ausgebeutet zu werden? Die Frage pauschal beantworten, kann ich in der Regel nicht. Denn natürlich hängt ein Gehalt auch von individuellen Faktoren wie Ausbildung und bisherigen Erfahrungen ab.

Gleichzeitig weiß ich, wie schwierig ist es, ein angemessenes Gehalt bei der Bewerbung anzugeben. Ich möchte mich als Bewerber:in nicht unter Wert verkaufen. Gleichzeitig weiß ich nicht, wie viel Budget ein Unternehmen für meine Stelle vorgesehen hat. In diesen Situationen merken Nachwuchskräfte, wie wichtig Gesetze für Gehaltstransparenz sind. Noch immer verdienen männliche Angestellte in Deutschland 18 Prozent mehr Geld als Frauen (unbereinigter Gender Pay Gap). Auf EU-Ebene sind es 13 Prozent Lohnunterschied.

Gender Pay Gap in Deutschland sinkt seit Jahren, liegt aber immer noch bei 18 Prozent. Quelle: Statistisches Bundesamt. Regelungen wie in Österreich können für mehr Gehaltstransparenz sorgen.
Zwischen 2006 und 2015 war der Ver­dienst­unter­schied zwi­schen Frauen und Män­nern fast kon­stant

In Deutschland gilt zwar seit 2017 das Entgelttransparenzgesetz, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen: Firmen müssen mehr als 200 Mitarbeitende haben und die gleiche Tätigkeit muss von mindestens sechs Personen des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt werden. Damit sind wir noch weit von Ländern wie Schweden entfernt, wo das Gehalt von (fast) allen Personen öffentlich zugänglich ist.

Maximale Gehaltstransparenz ist für viele EU-Länder noch eine Baustelle. Ein positives Beispiel in diesem Bereich begegnet mir aber regelmäßig bei der Newsletter-Recherche in Österreich. Seit März 2011 gilt dort „die gesetzliche Verpflichtung zur Angabe des kollektivvertraglichen Mindestentgelts und der Bereitschaft zur Überbezahlung in Stelleninseraten.“

Gehaltstransparenz in Östereich: In der Stellenausschreibung wird neben Anforderungen und Angeboten auch das Gehalt genannt. In diesem Fall 25.200 Euro.
So sieht die Gehaltsangabe bei einer Stellenausschreibung eines österreichischen Radiosenders aus

In der Praxis bedeutet das: Unter einer Stellenausschreibung findet sich in den meisten Fällen eine Angabe zum Mindestgehalt. Das hilft Berufseinsteiger:innen dabei, nicht zu wenig Geld zu verlangen. Es gibt eine Verhandlungsbasis für alle Bewerber:innen – egal welchen Geschlechts. Und: Talente können anhand der Spanne entscheiden, ob es sich für sie finanziell lohnt, überhaupt eine Bewerbung abzuschicken. So erspart man sich die Fahrt zum Bewerbungstermin, wenn das Gehalt einfach zu niedrig ist. Unternehmen, die mehr zahlen, haben einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Denn Firmen, die mit Dumpinglöhnen werben, bekommen weniger Bewerbungen.

Ich finde, Regelungen zur Gehaltstransparenz wie in Österreich extrem sinnvoll. Die Spreu auf dem Arbeitsmarkt trennt sich vom Weizen. Arbeitnehmende bekommen dadurch mehr Macht. So sieht es offenbar auch die EU-Kommission. Im Frühjahr 2021 hat sie einen Vorschlag für eine Richtlinie über Lohntransparenz zur Stärkung des Grundsatzes des gleichen Entgelts eingebracht. Unter anderem plant die Kommission darin auch Lohntransparenz für Arbeitsuchende:

„Nach dieser Bestimmung müssen Arbeitgeber das an den künftigen
Arbeitnehmer für eine Stelle oder Arbeit zu zahlende Einstiegseinkommen oder dessen
Spanne (basierend auf objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien) angeben. Diese
Informationen können in einer Stellenausschreibung oder auf andere Weise vor dem
Vorstellungsgespräch bereitgestellt werden, ohne dass der Bewerber dies beantragen muss.“

EU-Kommission, 2021/0050 (COD)

Bis die Richtlinie zur gängigen Praxis in der gesamten EU wird, könnte es noch eine Weile dauern. Momentan befindet sich die Richtlinie in der ersten Lesung.

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