KATAPULT gründet eine Journalismusschule und verlangt für die Ausbildung 14.400 Euro. Das ist weder angemessen noch sinnvoll für den Journalismus in Deutschland. KATAPULT sagt dazu auf Anfrage: nichts.
Für meinen Job-Newsletter durchforste ich die deutschsprachige Medienlandschaft Woche für Woche nach Stellenanzeigen im Journalismus für junge Leute. Dazu gehören natürlich auch Ausschreibungen für Volontariate und von Journalismusschulen.
Als KATAPULT im Juni 2021 angekündigt hat, selbst Nachwuchs auszubilden, habe ich mich darüber sehr gefreut. Erstens, weil ich das Medien-Start-Up aus Greifswald sehr für seinen visuell aufbereiteten Wissenschaftsjournalismus schätze. Zweitens, weil ich finde, dass die Redaktion verstanden hat, wie Journalismus in sozialen Medien funktioniert. Und drittens, weil ich bemerkenswert finde, wie transparent Gründer Benjamin Fredrich das Unternehmen KATAPULT aufgezogen hat. Alle Mitarbeitenden bekommen das gleiche Gehalt (3.400 Euro). Es wächst, je mehr Abonnent:innen das KATAPULT-Magazin hat (Ich bin übrigens einer davon). Die Firma ist gemeinnützig.
KATAPULT-Journalismusschule: Der Plan
KATAPULT will also eine eigene Journalismusschule gründen. Klingt erstmal mega! Ich glaube, Nachwuchs kann hier extrem viel lernen – über Recherche, Visualisierung, Quellenarbeit, Social Media, Lokaljournalismus (KATAPULT hat auch einen Lokal-Ableger für MV) und natürlich auch über gemeinnützige Finanzierungsmodelle. In seiner Ankündigung spricht Fredrich davon, „größer als Springer, besser als Nannen“ sein zu wollen. Mindestens 41 Leute pro Jahr wolle man ausbilden, so Fredrich. Das klingt vielversprechend.
Doch dann erscheint vor einigen Tagen die Ausschreibung für den ersten Ausbildungsjahrgang und die lässt mich irritiert zurück: Das Ausbildungsprogramm läuft über 18 Monate. Seminare und Praxisstationen wechseln sich ab. Als Journalismusschüler:in bekomme ich Einblicke in die verschiedenen Redaktionen von KATAPULT. Am Ende gibt es eine kleine Abschlussreise. So weit, so gut.
Fünf Stipendien geplant, alle anderen müssen zahlen
Der Haken: Ein Studienplatz kostet 800 Euro – pro Monat. Zwar vergibt KATAPULT nach eigenen Angaben fünf Stipendien in Höhe von 1.500 Euro pro Monat für alle, die nicht genug Geld haben. Alle anderen müssen für die Ausbildung aber insgesamt 14.400 Euro zahlen. Nach welchen Kriterien das Stipendium vergeben wird? Auch das geht nicht aus der Ausschreibung hervor.
„Es ist wichtig, die Ausbildung des journalistischen Nachwuchses gerade in den Bundesländern im Osten Deutschlands mit qualitativen Angeboten auszubauen“, sagt Mariana Friedrich. Sie ist Mitglied des Bundesvorstands des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). „Eine gute schulische Ausbildung kann ein Element dessen sein und darf natürlich auch etwas kosten. Aber Journalismus darf kein Luxusgut werden, das sich nur wenige leisten können.“ Ein Stipendiumsmodell, das an die Solidarität appelliere, sei ein Weg, diesen Zugang zu ermöglichen.
Dass Auszubildende an Journalismusschulen für die Ausbildung zahlen müssen, ist in Deutschland eher unüblich. Die meisten großen Ausbildungsstätten zahlen eine Ausbildungsbeihilfe – meist über 1000 Euro pro Monat. Zum Vergleich: Die Mindestausbildungsvergütung für Auszubildende liegt 2023 bei 620 Euro. Bei anderen Einrichtungen sind die Schüler:innen als Volontär:innen beim jeweiligen Verlag angestellt. Lediglich die Kölner Journalistenschule verlangt von ihren Schüler:innen eine Gebühr, die sich nach dem Einkommen der Eltern richtet.
Ausbildungsbeihilfen an ausgewählten Journalismusschulen
Einrichtung | Höhe der monatlichen Beihilfe in Euro |
Burda Journalistenschule | 2000 |
Deutsche Journalistenschule | keine, aber kostenlos |
electronic media school | 1200 |
FreeTech Academy | 1667 |
Henri-Nannen-Schule | 645 – 1500 |
Katholische Journalistenschule ifp | Studienbegleitende Ausbildung: keine, aber kostenlos Volontariat: Tarifgehalt über Redaktion |
RTL Journalistenschule | 1200 – 1400 |
„Journalismus braucht Vielfalt“
Ich finde, KATAPULT trägt mit der Idee, für die Ausbildung zahlen zu müssen, nicht dazu bei, dass der Journalismus in Deutschland diverser und damit auch multiperspektivischer wird. Wenn Ausbildung eine Frage des Einkommens der Eltern ist, bleiben Redaktionen überwiegend weiß und akademisch. Eine Wohnung oder ein WG-Zimmer in Greifswald zahlt sich nicht selbst. Der Kühlschrank bleibt leer ohne Gehalt.
„Journalismus braucht Vielfalt und Diversität“, sagt auch Mariana Friedrich vom DJV. Sie fordert Medienhäuser deshalb auf, in eine hochwertig vergütete Ausbildung zu investieren, „um Menschen unterschiedlichster Hintergründe den Zugang zum Journalismus zu ermöglichen.“
Keine Reaktion von der KATAPULT-Journalismusschule
Bei den Gehältern seiner Mitarbeitenden ist KATAPULT sehr gerecht. Bei den Schüler:innen an der Journalismusschule wird offenbar eine Ausnahme gemacht. Junge Talente liefern in den 18 Monaten auch Inhalte – offenbar ohne dass sie dafür entlohnt werden.
Natürlich wollte ich von KATAPULT wissen, wie die Redaktion das Finanzierungsmodell begründet. Auch hätte mich interessiert, wie das Team auf den Vorwurf „Journalismusausbildung als Luxusgut“ reagiert. Auf meine Anfrage hat KATAPULT-Gründer Benjamin Fredrich aber nicht geantwortet.
Die Ausbildung von Journalist:innen ist teuer, das hat offenbar auch KATAPULT erkannt. Die Kosten für die Ausbildungsplätze jetzt aber auf junge Talente auszulagern, ist weder fair noch sorgt es dafür, dass Redaktionen diverser werden. Ich hoffe, dass sich etwas in Greifswald verändert, damit der Journalismus-Nachwuchs nicht unter diesen Bedingungen in die Ausbildung starten muss. Bis es so weit ist, nehme ich die Ausschreibung von KATAPULT nicht in meinen Newsletter auf.
Transparenz
Die FreeTech Academy, die Kölner Journalistenschule, die Henri-Nannen-Schule, die RTL Journalistenschule, die Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten und die Katholische Journalistenschule ifp haben in der Vergangenheit Anzeigen in meinem Job-Newsletter geschaltet.
Ich engagiere mich im DJV und habe über die Gremienarbeit ab und zu Kontakt mit dem Bundesvorstand.