Die re:publica 2023 ist vorbei und es gab wieder einige interessante und inspirierende Diskussionen und Vorträge. Hier sind die re:publica 2023 Highlights – darunter Meredith Whittaker, Maja Göpel und Mareice Kaiser.
Die re:publica 2023 ist zu Ende gegangen. Mit Blick in meinen Kalender muss es wohl Konferenz Nummer sieben (in Präsenz) für mich gewesen sein. Dieses Jahr stand die re:publica unter dem Motto „Cash“ und es gab viele spannende Diskussionen und Vorträge von über 1.000 Sprecher:innen. Einige der Highlights waren die Präsidentin der Signal Foundation Meredith Whittaker, der Star-Pianist Igor Levit im Gespräch mit der Autorin Jagoda Marinic, die Transformationsforscherin Maja Göpel und der Science Fiction-Autor Cory Doctorow. Auch die Bundesminister Christian Lindner und Robert Habeck waren zu Gast und sprachen mit den re:publica-Gründern über die Finanzierung unserer Zukunft und die Digitalisierung des Landes.
Eine kleine Tradition seit einigen Jahren: Im Nachgang stelle ich eine Liste mit spannenden und inspirierenden Panels zusammen, die meine persönlichen re:publica 2023 Highlights waren. So können alle, die nicht mit dabei waren oder in einer anderen Session saßen, die wichtigsten Erkenntnisse mitnehmen.
Meredith Whittaker: AI, Privacy, and the Surveillance Business Model
Meredith Whittaker, die Präsidentin der Signal Foundation, setzt sich für die Entwicklung von quelloffener Datenschutztechnologie ein, die freie Meinungsäußerung schützt und eine sichere globale Kommunikation ermöglicht. Sie spricht sich offen gegen Überwachung und Rüstungsdeals aus. Whittaker ist scharfe Kritikerin von künstlicher Intelligenz und bezeichnete sie als „Marketingbegriff“.
tante: I’m sorry HAL, I won’t let you do that.
Jürgen Geuter, auch bekannt als „tante“, spricht über seine Kritik an der KI-Debatte und bezeichnet eine Zukunft ohne KI als scheinbar unvorstellbar geworden. Er bezeichnet dies als „KI-Realismus“ und orientiert sich dabei an der These vom „Capitalist Realism“ des britischen Philosophen Mark Fisher. Geuter hinterfragt sowohl den Kapitalismus als auch die KI und kritisiert, dass der Begriff „künstliche Intelligenz“ die Handlungsmacht aus dem politischen Bereich zu einer scheinbar magischen Technologie verschiebt. Seine KI-Kritik ist immer auch Systemkritik und er spricht sich gegen die Vorstellung aus, dass soziale und politische Probleme mit Technik gelöst werden können.
Maja Göpel: Cash, alles im Flow?
Maja Göpel, Transformationsforscherin und Bestsellerautorin, spricht über die Klimakrise und die Auswirkungen eines ständigen Wirtschaftswachstums. Sie kritisiert die staatliche Subventionierung der Spritpreise als ein vergiftetes Geschenk an die Bürger:innen und bezeichnete es als das Epizentrum eines veralteten Denkens. Göpel zeichnet nach, wie die Menschheit seit den 1950er-Jahren nach dem Prinzip des „immer mehr“ gelebt habe, wobei vor allem das Wirtschaftswachstum zulasten der Umwelt gegangen sei. Sie fordert dazu auf, von der Erzählung loszulassen, dass die Natur etwas ist, das von uns getrennt ist.
Björn Ommer: Generative KI – schöne neue Welt?
KI-Professor Björn Ommer fordert trotz der großen transformativen Kraft generativer KI einen kritischen Dialog. Ommer stellt vor, was in Zukunft mit verbesserter Unterstützung durch Computer möglich ist und betont den Bedarf an einem öffentlichen Dialog darüber, wie wir diese leistungsstarke Technologie als Gesellschaft annehmen können, um den Nutzen zu maximieren und die Risiken zu minimieren.
Mareice Kaiser: Warum nicht jede:r Haftbefehl werden kann
Mareice Kaiser spricht in ihrem Vortrag über die Leistungsgesellschaft und den Mythos, dass jede Person aufsteigen kann. Sie vergleicht das Leben von Aykut Anhan aka Haftbefehl, einem Kind kurdischer Gastarbeiter:innen, der zum Multi-Millionär wurde und vom Feuilleton als Ghetto-Goethe gefeiert wird, mit ihrer eigenen Geschichte als sogenannte Aufsteigerin. Kaiser betont, dass diese beiden Geschichten Ausnahmen sind und dass es für viele Menschen keine Möglichkeit gibt, aufzusteigen. Sie fordert dazu auf, die Leistungsgesellschaft zu hinterfragen und sich für mehr Chancengleichheit einzusetzen.
Markus Beckedahl: Ein besseres Internet ist immer noch möglich
Markus Beckedahl gibt einen Rück- und Überblick auf die aktuellen netzpolitischen Debatten auf nationaler und europäischer Ebene. Er stellt die Frage, was relevant ist und was mehr Aufmerksamkeit braucht und wo es Erfolge für die digitale Zivilgesellschaft gibt. Beckedahl spricht auch über die aktuelle Bundesregierung und die Europäische Union ein Jahr vor Neuwahlen und stellt die Verbindung zum diesjährigen Motto der re:publica „Cash“ her. Sein netzpolitischer Jahresrückblick ist fester Bestandteil des Programms und zählte auch 2023 zu den re:publica-Highlights.
Katharina Nocun: Mit Kristallen und Klangschalen gegen die „Neue Weltordnung“
Katharina Nocun spricht über die Verbindungen zwischen Esoterik, Verschwörungsideologien und Rechtsextremismus. Sie beschreibt, wie das im verschwörungsideologischen Milieu tief sitzende Misstrauen gegen Institutionen und Wissenschaft den Boden für irrationale und gefährliche Heilsversprechen bereitet und wie diverse Esoteriker:innen Verschwörungserzählungen aller Art verbreiten.
Paris Marx: What Silicon Valley Gets Wrong about the Future of Transportation
Paris Marx spricht über die Versprechen der Tech-Industrie, das Transportsystem zu verbessern, und warum diese Versprechen nicht eingehalten wurden. Marx untersucht, warum die Visionen des Silicon Valley für die Mobilität gescheitert sind und wie digitale Technologie tatsächlich in das Transportsystem integriert wird. Er betont, dass es nach dem Scheitern der Visionen für autonome Fahrzeuge, Hyperloop-Züge, Boring Company-Tunnel und fliegende Autos an der Zeit ist, einen anderen Ansatz zu verfolgen, um die Probleme in unserem Transportsystem anzugehen.
Jutta Allmendinger: Augen zu und durch? Die Gleichstellungspolitik und ihre unintendierten Folgen
Jutta Allmendinger ist Soziologin und Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. Sie analysiert in ihrem Vortrag, dass eine westdeutsche Frau, die 1985 geboren wurde und die gleiche Ausbildung und berufliche Laufbahn wie ihr Mann hinter sich hat, ab der Geburt der Kinder voraussichtlich in ihrem weiteren Lebensverlauf 1,5 Millionen Euro weniger verdienen wird als ihr männliches Pendant.
Stefan Rahmstorf: Zwischen Wissenschaft, Querdenkern und Populisten: Die Klimakrise in der öffentlichen Debatte
Stefan Rahmstorf ist Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam und leitet die Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er spricht auf der re:publica über die Klimakrise und die riesige Kluft zwischen der Fachdiskussion und der öffentlichen Debatte.
Tupoka Ogette: Tag für Tag gegen Rassismus. Erschöpfung und Wut. Ein Plädoyer.
Tupoka Ogette spricht darüber, was zwei Jahre nach dem Mord an George Floyd bleibt und warum wir immer noch und schon wieder aus Happyland ausziehen müssen. Sie stellt die Frage, was wir als Gesellschaft tun können, um Rassismus im Alltag zu bekämpfen und betont, dass es jede:n Einzelnen von uns braucht und Aufgeben – trotz Backlash und Müdigkeit – keine Option ist.
Ernst Bürger und Philip Banse: Insights aus der Verwaltungsdigitalisierung
Philip Banse interviewt Ernst Bürger, Leiter der Abteilung „Digitale Verwaltung; Steuerung OZG“ im Bundesinnenministerium. In dem Gespräch gibt Bürger Einblicke in die Fortschritte und Herausforderungen bei der Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland. Er versucht zu erklären, warum viele Prozesse zu langsam laufen und welche Strukturen Digitalisierung behindern.
Anja Rützel und Pamela Kretzschmar: Ich bin ein Star! Was wir schon immer über Reality-TV wissen wollten
Reality TV-Expertin Anja Rützel trifft auf Pamela Kretzschmar von der Produktionsfirma hinter dem Dschungelcamp: Was fasziniert so viele Zuschauer:innen an Reality-TV? Wie funktioniert das System dahinter? Wie ergeht es den Kandidat:innen? Wie kann man ohne Script gute Geschichten erzählen?
Ellen Heinrichs: Hören, was (auch) ist
Zu den re:publica 2023 Highlights zählt auch der Vortrag von Ellen Heinrichs. Sie ist Gründerin des Bonn Institute für Journalismus und konstruktiven Dialog. Heinrichs erklärt, was Journalist:innen von der Mediation lernen können, und warum das gerade in krisenhaften Zeiten so wichtig ist: aktives Zuhören etwa, aber auch die Fähigkeit, sich mit Leuten zu unterhalten, deren Meinung man nicht teilt.
Josefa Francke und Jan Rau: Rechtsextremismus im Internet. Was wissen wir und was können wir tun?
Jan Rau und Josefa Francke geben einen Zwischenbericht aus der Forschung über die digitale Infrastruktur des Rechtsextremismus und über Interventionen und Gegenmaßnahmen. Sie sprechen über die Gefahren, die wir konfrontiert sind, und was Gesetze und Gerichte ausrichten können. Sie diskutieren auch, was in der Präventionsarbeit passiert und was jede:r Einzelne tun kann.
Mirella Precek und Oğuz Yılmaz: Bessere Quoten als beim Bachelor – YouTube ist erwachsen geworden
In ihrem Vortrag blicken die YouTube-Creator:innen zurück auf Y-Titty und auf 10 Jahre Mirellativegal und sprechen über ihre nächsten Schritte. Sie evaluieren das Monetarisierungsmodell und geben Tipps wie Content gelingt, bei dem Zuschauer:innen nicht schon nach 5 Minuten abschalten.
Ingrid Brodnig: Das Geschäft mit der Wut – und was wir dagegen tun können
Ingrid Brodnig beschreibt, wie Wutschüren ein Erfolgsfaktor im Netz ist und wie digitale Plattformen von der Wut profitieren. Denn Wut generiert Aufmerksamkeit und damit Werbemöglichkeiten. Sie behandelt, wie wut-fördernd die Geschäftsmodelle der Social-Media-Apps sind. Und sie zeigt, wie wir diese ökonomische und technische Ausrichtung verändern und demokratischer gestalten können.
re:publica 2023 Highlights: Mein Fazit
Ich habe mich sehr gefreut, nach Berlin zu fahren und viele Kolleg:innen bei der re:publica wiederzusehen. Das bestimmende Thema 2023 war neben dem Motto „Cash“ vor allem das Thema Künstliche Intelligenz. Doch in Erinnerung bleiben mir vor allem die Panels zum Thema Gleichstellung und Klimakrise.
Welche Session darf deiner Meinung nach nicht in der Liste fehlen? Schreibe mir eine DM über Instagram oder Linkedin.
Transparenz: Das Sprachmodell GPT-4 hat mich beim Schreiben dieses Artikels unterstützt.
Titelfoto: re:publica/Jan Zappner