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Warum ich kein eigenes Auto habe

Autos auf einem Parkplatz. Diese Gründe sprechen gegen ein eigenes Auto.

In Deutschland sind mehr als 48 Millionen Autos zugelassen. Haushalte mit Pkw haben im Durchschnitt 1,4 Fahrzeuge. Ich habe mich gewusst gegen ein eigenes Auto entschieden und erkläre hier die Gründe.

Seit diesem Jahr bin ich stolzer Besitzer einer BahnCard 100, die mir die Flexibilität gibt, in (fast) jeden Zug, jeden Bus, jede U- oder S-Bahn zu steigen. Aber schon vorher habe ich mehrere Tausend Euro pro Jahr für berufliche und private Bahnfahrten ausgegeben.

Auf TikTok habe ich über meine Ausgaben für Zugfahrten berichtet und ein Account hat gefragt, warum ich mir für das ausgegebene Geld nicht einfach ein Auto kaufe oder lease. Mich hat die Frage anfangs total verwirrt, weil die Gründe für mich offensichtlich sind. Doch sie steht, glaube ich, exemplarisch für das Verständnis, das viele Menschen in Deutschland dem eigenen Auto entgegenbringen. Deshalb stelle ich die private Pkw-Nutzung mal in den wissenschaftlichen Kontext: Zahlen zeigen, warum das Konzept „eigenes Auto“ nicht nur extrem ineffizient, sondern auch sehr belastend für Gesellschaft und Umwelt ist. Das sind gute Gründe, sich gegen ein eigenes Auto zu entscheiden.

Gründe gegen ein eigenes Auto: Die Ausgangslage

Die Studie Mobilität in Deutschland (MiD) ist eine bundesweite Befragung von Haushalten zu ihrem alltäglichen Verkehrsverhalten im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV). Sie erschien zuletzt 2017 und gibt Einblicke darin, wie Menschen in Deutschland von A nach B fahren:

  • Die MiD 2017 misst einen Gesamtbestand von 43 Millionen Pkw in deutschen Haushalten. Damit stehen im Durchschnitt 1,1 Pkw pro Haushalt zur Verfügung. Bei den Pkw-besitzenden Haushalten liegt der Durchschnittswert bei 1,4 Fahrzeugen pro Haushalt.
  • In Deutschland kommen auf 1.000 Einwohnende 527 Autos in Privathaushalten. Im Osten Deutschlands ist der Pkw-Besitz weiterhin deutlich geringer als im Westen. In Metropolen fällt die Pkw-Besitzrate niedriger aus als in kleinstädtischen und dörflichen Gebieten. Selbst in Metropolen beträgt der Anteil von Haushalten mit Auto 58 Prozent.
  • Gut 40 Prozent der Autos werden an einem durchschnittlichen Tag gar nicht genutzt. Die mittlere Betriebszeit pro Pkw und Tag liegt bei ca. 45 Minuten, das sind nur drei Prozent der Gesamtzeit eines Tages. Im Mittel werden knapp zwei Fahrten und 30 Kilometer pro Tag zurückgelegt. Die Jahresfahrleistung liegt bei 14.700 Kilometer.
  • Trotz einer Steigerung der Nutzungsanteile von öffentlichen Verkehrsmitteln und des Fahrrads ist das Auto nach wie vor das dominante Verkehrsmittel der Alltagsmobilität in Deutschland. 57 Prozent aller Wege und 75 Prozent aller Personenkilometer werden mit dem Auto zurückgelegt, der größte Anteil davon am Steuer.
  • Pkw sind mehr als 23 Stunden am Tag geparkt und das überwiegend zuhause. Die Standzeit an den Wohnorten beträgt im Mittel über 20 Stunden pro Tag.

Das Platzproblem

Die Daten zeigen: Den Großteil der Zeit stehen Autos in der Gegend herum, werden nicht bewegt. Eine Airline mit diesem Geschäftsmodell wäre längst pleite. Autofahrer:innen in Deutschland können sich das leisten – auch weil der Autoverkehr bei uns so stark subventioniert wird.

Wenn Autos auf Privatgrundstücken stehen, wie meist auf dem Land, ist das im Zweifel kein Problem. In Großstädten und Metropolen werden laut MiD knapp die Hälfte der geparkten Pkw aber im öffentlichen Raum abgestellt. In vielen Städten gibt es noch immer keine Parkraumbewirtschaftung oder nur sehr günstige Parktickets. Damit ist das Parken vielerorts extrem preiswert oder sogar kostenlos. Autos nehmen Platz weg, der allen gehört – Fußgänger:innen, Fahrrad- oder E-Scooterfahrer:innen oder Menschen mit Rollstuhl oder Rollator. Das finde ich extrem unfair.

Einige argumentieren in diesem Fall damit, dass Fahrräder oder E-Scooter im öffentlichen Raum ja auch stören würden – keine Frage. Auch andere Verkehrsmittel brauchen Platz. Aber: Keine anderes Fahrzeug nimmt so viel Fläche im öffentlichen Raum ein wie das Auto.

Infografik: Flächenbedarf Straßenverkehr MIV Pkw Radverkehr ÖPNV Bus Straßenbahn Stadtverkehr
Vergleich unterschiedlicher Flächeninanspruchnahmen durch Pkw, Bus, Straßenbahn, Stadtbahn, Radfahrer und Fußgänger (pro Person) – Grafik: Martin Randelhoff, www.zukunft-mobilitaet.net – CC BY 3.0

Gründe gegen ein eigenes Auto: Die externen Kosten

Noch viel größer ist das Problem der externen Kosten eines jeden Autos auf den Straßen. Das sind Kosten, die nicht die Autofahrer:in individuell zahlt, sondern durch die ganze Gesellschaft getragen werden – egal ob mit Auto, oder nicht. Verkehrslärm beispielsweise beeinträchtigt die Lebensqualität und die Gesundheit von Menschen, die in der Nähe von Schienen, Straßen oder Flughäfen wohnen. Dies hat Kosten zur Folge, die unter anderem in Form von Krankheiten und Spitalaufenthalten anfallen. Weiter verursachen die Verkehrsunfälle beträchtliche Ausgaben in Form von Heilungskosten oder Produktionsausfällen. Das ist für mich einer der wichtigsten Gründe gegen ein eigenes Auto.

Wenn solche externen Kosten vorliegen, sprechen Expert:innen – aus volkswirtschaftlicher Sicht – von einem Marktversagen. „Durch den zu tiefen Preis entsteht ein Anreiz, längere und häufigere Fahrten zu unternehmen als dies bei voller Umsetzung des Verursacherprinzips der Fall wäre“, schreibt das Schweizerische Bundesamt für Raumentwicklung. „Das ist volkswirtschaftlich nicht sinnvoll und trägt zu einer Verschwendung von Ressourcen bei. Beträchtliche Summen werden der Allgemeinheit aufgebürdet und sind für die Verkehrsteilnehmenden nicht im Preis der Mobilität spürbar.“

Eine aktuelle Studie aus Schweden hat zusammengetragen, wie hoch private und soziale Gesamtkosten einzelner Autos sind. Bei der typischen deutschen Fahrleistung von 15.000 Kilometer pro Jahr würde ein Opel Corsa der Studie zufolge im Leben einer Autofahrer:in 599.082 Euro kosten, bezöge man alle gesellschaftlichen und privaten Kosten ein. Ein VW Golf landet bei 653.561 Euro und ein Mercedes GLC bei 956.798 Euro. Die Gesellschaft trage davon jährlich im Fall des Opel Corsa 41 Prozent (4.674 Euro), beim Golf 38 Prozent (4.755 Euro) und beim Mercedes GLC 29 Prozent (5.273 Euro).

Zu den externen Kosten hat das Forschungsteam Gesundheitskosten (z. B. Lärm und Luftverschmutzung), Infrastrukturkosten (z. B. Instandhaltung und Parken im öffentlichen Raum) sowie Kosten für Subventionen und Klimawandel einbezogen. Volkswirtschaftliche Verluste durch Staus oder Personenunfälle sind also nicht inbegriffen.

Eine Auswertung der Allianz pro Schiene zeigt: Damit verursachen Autos deutlich höhere externe Kosten (10,8 Cent pro Kilometer) als Busse (3 Cent pro Kilometer), ÖPNV (4,0 Cent pro Kilometer) oder Fernzüge (2,1 Cent pro Kilometer). Nur der Flugverkehr hat noch höhere externe Kosten (12,8 Cent pro Kilometer).

Infografik: Durchschnittskosten des Personenverkehrs nach Verkehrsmittel. Einer der Gründe, der gegen ein eigenes Auto spricht.
Sowohl im Personen- als auch im Gütertransport verursacht der Eisenbahnverkehr bei gleicher Verkehrsleistung signifikant geringere externe Kosten als der Straßen- oder Luftverkehr. So verursachen Pkw-Nutzer:innen pro Kilometer mit rund elf Cent mehr als dreimal so hohe externe Kosten wie Bahnfahrer:innen.

Und was ist mit der Kfz-Steuer?

Die gesamten Folgekosten des Verkehrs betragen in Deutschland knapp 150 Milliarden Euro im Jahr, von denen 140 Milliarden auf Autos und andere Kfz entfallen. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Allianz pro Schiene. Einige Autofahrer:innen argumentieren an dieser Stelle gerne mit den Steuern und Abgaben, wie der Kfz-Steuer oder der Energiesteuer.

Die Einnahmen durch diese Steuern und Abgaben sind schwer genau zu beziffern. Auf Bundesebene bringt die Kfz-Steuer laut Bundesfinanzministerium Steuereinnahmen in Höhe von rund neun Milliarden Euro ein. Die Energiesteuer brachte 2021 laut Statistischem Bundesamt etwa 37 Milliarden Euro ein. Sie wird aber nicht nur von Autofahrer:innen bezahlt, sondern gilt auch für unter anderem Heizöl, Erdgas und Kohle. Aber selbst diese insgesamt 46 Milliarden Euro reichen nicht annährend aus, um die tatsächlichen externen Kosten des Autoverkehrs zu tragen.

Die Lösung

Es sprechen also einige Gründe gegen ein eigenes Auto. Sinnvoll wäre es hingegen, Gehen und Fahrradfahren strukturell zu fördern. Denn letztlich ist der volkswirtschaftliche Nutzen des Radfahrens wesentlich höher als der des Autofahrens. Zugleich sind die Kosten für den Staat wesentlich niedriger. Denn: Radfahren ist im Vergleich umweltfreundlicher, gesundheitsfördernder und im Gegensatz zum Auto oder Lkw platzsparend. Durch den Verzicht auf schwere Verkehrsmittel wie das Auto tragen Radfahrer:innen zu einer finanziellen Entlastung des städtischen Haushalts bei. Straßen- und Gebäudeschäden werden vermieden, die Luft- und Lärmbelastung sinkt.

Beispiele wie Dänemark oder die Niederlande zeigen, wie es eigentlich laufen sollte: Private Autos sind extrem unattraktiv, weil die tatsächlichen Kosten des motorisierten Individualverkehrs an die Nutzer:innen weitergegeben werden – durch hohe Steuern, hohe Parkgebühren und die Subventionierung von Mobilitätsformen mit geringeren externen Kosten. Außerdem investieren Städte und Kommunen in den Bau von Infrastruktur, die für Menschen gemacht ist – und nicht für Autos. Breite Fuß- und Radwege, wenig Parkplätze und eine praktische Anbindung an ÖPNV-Angebote.

YouTuber Not Just Bikes zeigt, wie fahrradfreundliche Städte in den Niederlanden aussehen.

Auf meinen Reisen durch Europa stelle ich immer wieder fest, wie viel angenehmer es ist, durch die Stadt zu laufen oder mit dem Fahrrad zu fahren, wenn die Stadt nicht auf motorisierten Individualverkehr ausgerichtet ist. Glücklicherweise haben auch in Deutschland immer mehr Städte das Problem erkannt. Fraglich bleibt, ob diese Initiativen ausreichen, um rechtzeitig die Emissionsziele im Straßenverkehr zu erreichen, auf die wir uns gemeinsam verständigt haben.