Ich zeige, wie sich KI im Journalismus ganz konkret einsetzen lässt. Dafür nutze ich Tools wie ChatGPT, Copilot oder Gemini und stelle geeignete Prompts vor.
Auf der re:publica 2024 habe ich in einem Mini-Workshop gezeigt, wie sich ChatGPT, Microsoft Copilot, Google Gemini und andere KI-Tools im redaktionellen Arbeitsprozess anwenden lassen. Für alle die nicht dabei sein konnten, trage ich hier die wichtigsten Erkenntnisse und Ergebnisse zusammen.
KI im Journalismus: Die wichtigsten theoretischen Grundlagen
Einige Vorbemerkungen: KI-Sprachmodelle wie Open AIs GPT, Googles Gemini oder Luminous von Aleph Alpha sind in der Regel keine geeigneten Recherche-Instrumente. Der Stand der Trainingsdaten liegt in den meisten Fällen mehrere Monate zurück. Damit fehlt den Sprachmodellen tagesaktuelles Wissen.
Sprachmodelle generieren ihre Texte außerdem wahrscheinlichkeitsbasiert. Das heißt, das die Systeme in der Regel nicht die inhaltliche Qualität eines Ergebnisses bewerten können. Sie wissen nicht, was korrekt und was nicht korrekt ist. Sie wissen nur, welches Wort wahrscheinlich auf das nächste folgt. Dieses Prinzip der Textgenerierung sorgt in der Praxis häufig für inhaltliche Fehler (auch Halluzination genannt). Wenn wir KI im Journalismus einsetzen, müssen wir also jedes Ergebnis kritisch bewerten und die mutmaßlichen Fakten überprüfen.
Was ich in diesem Artikel auch nicht nochmal detailliert erkläre, ist, wie ich meine Prompts aufbaue. Das habe ich bereits hier erklärt. Den Text empfehle ich als Grundlage. Und dann können wir gemeinsam ins Prompten starten. Da ich vergangene Woche zum Thema Shrinkflation recherchiert habe, nutzen wir das als Beispiel.
KI im Journalismus: Beispiele Schritt für Schritt
Themenfindung mit ChatGPT
ChatGPT lässt sich prima nutzen, um aus einem Oberthema mit Hilfe des zugrundeliegenden Sprachmodells (GPT-3.5, GPT-4, GPT-4o) Erzählansätze zu generieren. Dafür habe ich folgenden Prompt formuliert:
Du bist Journalist beim einem Wirtschaftsmagazin. Das Magazin erscheint monatlich. Außerdem betreibt deine Redaktion eine tagesaktuelle Website sowie einen Social-Media-Auftritt bei Instagram, Facebook und LinkedIn. Deine Redaktion hat dich beauftragt, einen Artikel zum Thema Shrinkflation zu schreiben. Entwickle mindestens 20 Erzählansätze, die du der Redaktion präsentieren kannst. Achte darauf, dass diese Erzählansätze möglichst sachlich und neutral mit Blick auf die wirtschaftsinteressierte Zielgruppe getextet sind. Achte auch darauf, nicht so naheliegende Themen vorzuschlagen. Überrasch mich gerne mit kreativen Erzählansätzen. Ziel des Auftrags ist, eine möglichst außergewöhnliche Erzählidee zu entwickeln, die die Redaktion im nächsten Heft abbilden möchte. Bereite mir die Erzählansätze möglichst übersichtlich auf und beschreibe mir jede Idee in wenigen Stichpunkten, sodass ich einen Eindruck bekomme und schnell wählen kann.
ChatGPT macht mir im Anschluss 20 Vorschläge. Ich entscheide mich für Idee 15 „Shrinkflation und Markenloyalität: Einfluss von Shrinkflation auf die Loyalität der Kunden zu Marken“.
Erzählansatz ausarbeiten mit ChatGPT
Nun können wir mit ChatGPT aus einer ersten Idee den ersten Entwurf für eine inhaltliche Struktur des Artikels entwickeln. Dafür bleibe ich im selben Chat und nutze folgenden Prompt:
Idee 15 finde ich gut. Lass uns die weiterdenken. Entwickle aus der Themenidee für die Struktur eines Artikels. Beschreibe, wie du in den Artikel einsteigen würdest, wie du endest und welche inhaltlichen Aspekte Teil des Artikels werden können. Achte auf Multiperspektivität und journalistische Arbeitsprinzipien: Wir wollen das Thema aus allen möglichen Blickwinkeln zeigen, Pro und Contra abwägen und neutral und sachlich berichten. Das muss sich auch in deiner Aufbereitung wiederfinden. Mach im Zweifel erstmal zu viele inhaltliche Aspekte rein, aussortieren können wir später immer noch. Bereite die Artikelstruktur möglichst übersichtlich auf. Ich möchte mir einen schnellen Überblick verschaffen.
Das Tool schreibt mir eine Artikel-Struktur auf. Diese Struktur kann ich als Grundlage für eine Besprechung mit der Redaktion und den Rechercheprozess nutzen.
Wissenschaftliche Literatur durchsuchen mit Consensus
Das KI-Tool Consensus kann Journalist:innen dabei helfen, wissenschaftliche Veröffentlichungen zur Recherchefrage zu finden und einzuordnen. Dafür gebe ich bei Consensus das Schlagwort (in unserem Fall „Shrinkflation“) ein und bekomme eine Liste relevanter Paper angezeigt, die mit Hilfe eines Sprachmodells zusammengefasst werden. Diese Liste kann ich auch nach Open-Access-Publikationen filtern. In unserem Beispiel finde ich so eine Studie zu Shrinkflation aus Ägypten.
PDF-Dateien auswerten mit ChatPDF
Habe ich eine relevante Studie gefunden, kann ich das Paper zum Beispiel mit dem Tool ChatPDF auswerten. Dafür lade ich die PDF-Datei im Tool hoch und kann anschließend meinen Prompt schreiben:
Fasse die wichtigsten Erkenntnisse der Studie in fünf Stichpunkten zusammen und schlage mir vor, welche weiterführenden Fragen ich zu dem Dokument stellen soll?
Daraufhin wertet das Sprachmodell den Text aus und verweist auch auf passende Fundstellen im Dokument. Die vorgeschlagenen Fragen kann ich nutzen, um tiefer in das Thema einzusteigen.
Expert:innen und Kontaktdaten finden mit Bing Copilot oder Perplexity
ChatGPT hat in der Basisversion keinen Internetzugriff und kann deshalb nicht standardmäßig Websites aufrufen oder das Internet durchsuchen. Dafür nutze ich gern Perplexity oder Bing Copilot. Die beiden Tools durchsuchen zunächst das Internet nach geeigneten Quellen und bereiten die Websuchergebnisse im Anschluss mit Hilfe eines Sprachmodells auf. Deshalb kann ich beispielsweise Kontaktdaten oder Personen suchen mit folgenden Prompts:
Suche 10 Expert:innen aus Deutschland zum Thema Shrinkflation. Besonders wichtig ist eine Vielfalt in der Auswahl. Die Menschen sollten beispielsweise nicht alle aus dem selben Institut oder von der selben Einrichtung sein. Mir ist außerdem Parität besonders wichtig, schlage also Männer und Frauen vor. Bereite eine Liste mit der jeweiligen Person, kurzer Beschreibung und Fachgebiet sowie Kontaktdaten und Website in einer Tabelle auf.
Vorsicht Halluzination: Nicht alle der gefundenen Personen müssen tatsächlich existieren. Ich muss die einzelnen Expert:innen beispielsweise mit einer Google-Suche gegenchecken.
Ein weiterer Prompt, um nach Kontaktdaten zu suchen:
Stelle mir Telefonnummer und Mailadresse der Pressestelle des Bundesverbaucherschutzministeriums zusammen. Bereite die Daten möglichst einfach und übersichtlich auf.
Interviewanfrage formulieren mit Google Gemini
Habe ich eine passende Expert:in gefunden, kann ich zum Beispiel mit Gemini eine Interviewanfrage verschicken. Das geht beispielsweise mit folgendem Prompt:
Du bist Journalist beim einem Wirtschaftsmagazin. Das Magazin erscheint monatlich. Außerdem betreibt deine Redaktion eine tagesaktuelle Website sowie einen Social-Media-Auftritt bei Instagram, Facebook und LinkedIn. Deine Redaktion hat dich beauftragt, einen Artikel zum Thema Shrinkflation zu schreiben. Du sollst eine Expertin zu einem Interview anfragen, in dem es um "Shrinkflation und Markenloyalität: Einfluss von Shrinkflation auf die Loyalität der Kunden zu Marken" geht. Schreibe eine freundliche und im Tonfall sachliche E-Mail mit einer Anfrage für ein Interview, das im Laufe der kommenden Woche stattfinden soll. Ziel der E-Mail ist es, die Expertin für eine Zusage zu gewinnen. Halte die E-Mail möglichst einfach und übersichtlich.
Den generierten Text kann ich im Anschluss anpassen, meine Kontaktdaten ergänzen und verschicken.
Fragen entwickeln mit ChatGPT
Jetzt brauche ich noch Fragen für mein Interview. Dafür springe ich zurück in meinen Chat bei ChatGPT und schreibe beispielsweise:
Wir haben inzwischen eine Expertin für unser Thema gefunden. Das Interview soll nächste Woche stattfinden. Hilf mir dabei passende Fragen zu entwickeln, die zum Thema unseres Artikels passen. Schreibe möglichst viele Fragen zum Thema auf. Wichtig ist: Halte den Ton sachlich und neutral, achte auf journalistische Arbeitsprinzipien. Bereite die Liste der Fragen möglichst übersichtlich auf.
ChatGPT generiert im Anschluss 26 Fragen, aus denen ich geeignete auswählen und eigene Fragen ergänzen kann.
Interview transkribieren mit Trint
Mein Interview mit der Expertin kann ich beispielsweise per Smartphone oder in der Zoom-Konferenz aufzeichnen. Um nicht alles abzutippen, kann ich Tools wie Trint nutzen. Auch in Microsoft Word gibt es inzwischen eine gute Transkriptionsfunktion. Transkriptionstools wie Trint tippen das gesprochene Wort ab. Ich kann im Anschluss geeignete Zitate für meinen Text auswählen.
Redigatur des Textes mit Google Gemini
Habe ich einen ersten Entwurf für meinen Text, kann ich diesen per Sprachmodell verbessern. Welches Sprachmodell ihr dafür nutzt, ist nicht entscheidend. Ich nutze in diesem Fall Gemini.
Du bist kritischer Redakteur beim einem Wirtschaftsmagazin. Das Magazin erscheint monatlich. Außerdem betreibt deine Redaktion eine tagesaktuelle Website sowie einen Social-Media-Auftritt bei Instagram, Facebook und LinkedIn. Ich bin Reporter und gebe dir gleich einen Text zum Thema Shrinkflation, den ich geschrieben habe. Deine Aufgabe ist, diesen Text zu bewerten. Wie gefällt dir der inhaltliche Aufbau? Fehlen relevante Aspekte, die für unsere Zielgruppe relevant sein könnten? Wo fallen dir inhaltliche Fehler auf? Sind journalistische Arbeitsprinzipien eingehalten? Ist der Text ausgewogen? Fallen dir Rechtschreib- oder Grammatikfehler auf? Liste mir das Feedback zum Text möglichst übersichtlich und nachvollziehbar auf. Begründe deine Entscheidungen, damit ich diese verstehen kann und den Text entsprechend verbessern kann.
Im Anschluss fasst mir Gemini die Bewertung des Textes zusammen und macht Vorschläge zur Verbesserung.
Rechtschreibung, Grammatik und Stil verbessern mit LanguageTool
Anwendungen wie LanguageTool oder DeepL Write können Journalist:innen dabei helfen, Fehler im Text zu finden oder Stilverbesserungen zu machen. Dafür gebe ich meinen Textentwurf in das Tool und bekomme danach Verbesserungsvorschläge angezeigt.
Überschriften und Teaser schreiben mit ChatGPT
Sind wir mit unserem Text zufrieden, kann uns das Sprachmodell nun noch Vorschläge für Überschriften und Teaser machen, die wir für die Online-Veröffentlichung unseres Textes nutzen können. Das funktioniert mit allen gängigen Sprachmodellen. Dafür verwende ich zum Beispiel folgenden Prompt:
Du bist Journalist bei einem Wirtschaftsmagazin. Das Magazin erscheint monatlich. Außerdem betreibt deine Redaktion eine tagesaktuelle Website sowie einen Social-Media-Auftritt bei Instagram, Facebook und LinkedIn. Ich gebe dir gleich einen Text. Deine Aufgabe ist es, fünf passende Überschriften sowie drei geeignete Teaser zu diesem Text zu schreiben. Halte den Ton möglichst sachlich und neutral. Halte dich an journalistische Arbeitsprinzipien. Die Überschriften sollen möglichst prägnant und kreativ sein. Die Teaser sollen das Thema des Textes in aller Kürze zusammenfassen und den Leser:innen Lust machen, den Text zu lesen. Achte darauf, keine Clickbait-Überschriften zu schreiben. Das wird bestraft. Hier kommt der Text:
ChatGPT listet mir daraufhin einige Vorschläge auf, die ich noch anpassen und verändern kann.
Social-Media-Teaser schreiben mit Gemini
Zum Abschluss testen wir, wie Gemini einen Facebook-Teaser zu unserem Text formulieren würde. Dafür nutze ich folgenden Prompt:
Du bist Journalist bei einem Wirtschaftsmagazin. Das Magazin erscheint monatlich. Außerdem betreibt deine Redaktion eine tagesaktuelle Website sowie einen Social-Media-Auftritt bei Instagram, Facebook und LinkedIn. Ich gebe dir gleich einen Text. Deine Aufgabe ist es, mögliche Teaser für Facebook zu schreiben, mit dem wir den Artikel bei Facebook veröffentlichen. Halte den Ton möglichst sachlich und neutral. Halte dich an journalistische Arbeitsprinzipien. Der Teaser soll das Thema des Textes in aller Kürze zusammenfassen und den Leser:innen Lust machen, den Text zu lesen. Achte darauf, keine Clickbait-Überschriften zu schreiben. Das wird bestraft. Mache mir 10 Vorschläge. Alle Teaser sollen zwei bis drei Sätze lang sein und können auch eine Frage zum Diskutieren beinhalten. Hier kommt der Text:
Aus den Ideen des Sprachmodells kann ich meinen Lieblingsvorschlag auswählen und für meinen Anwendungszweck anpassen.
KI im Journalismus: Mein Fazit
Bei meinem re:publica-Workshop konnte ich zeigen, dass KI den kompletten Arbeitsprozess im Journalismus nicht ersetzen kann. Dafür ist die Technologie zu fehleranfällig. Sie kann uns aber ganz konkret bei einzelnen Arbeitsschritten unterstützen, um auf neue Ideen zu kommen oder um Fleißarbeit abzunehmen.
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